In der ersten Ausgabe von The Reuse Playbook hatten wir das Glück, mit Michael Kiess zu sprechen – Director Sustainability Operations bei Decathlon Deutschland. Gemeinsam haben wir einen Blick hinter die Kulissen eines der größten Buyback- und Reuse-Programme im Sportartikelhandel geworfen: Von der Entstehung aus dem Flohmarktformat „Trocathlon“ bis zum heutigen Second-Use-Angebot mit Rückkauf, Refurbishment und Wiederverkauf.

Was uns besonders beeindruckt hat: Wie konsequent Decathlon Reparatur als Rückgrat aller Circular Services versteht, wie systematisch intern überzeugt wurde und wie klar der wirtschaftliche Case ist. Keine Symbolpolitik, sondern Kundenbindung, Daten und Umsatzpotenzial. Genau darum geht’s.

Unsere Learnings und Key Takeaways

🛠️ Reuse beginnt nicht bei Technologie – sondern bei Haltung

Decathlons Rückkaufstrategie ist aus einem simplen Flohmarktformat entstanden. Der Beweis: Circular muss nicht kompliziert starten. Wer Kunden zuhört, landet oft ganz natürlich bei zirkulären Lösungen.

🧩 Reparatur ist das Rückgrat

Ohne Reparatur keine Miete, kein Wiederverkauf, kein Rückkauf. Decathlon baut gezielt Service-Infrastruktur auf – inklusive Meisterwerkstätten – und setzt damit ein starkes Zeichen: Operative Exzellenz entscheidet.

👥 Der zirkuläre Kunde ist loyaler und wertvoller

Kund:innen, die zirkuläre Angebote nutzen, kommen dreimal so oft zurück wie andere  und sie kaufen mehr. Circular ist kein Kostentreiber, sondern ein Hebel für Kundenbindung und Umsatz.

🧪 Proof before scale

Decathlon hat klein gestartet: einzelne Filialen, manuelle Prozesse, klar definierte Produktgruppen. Erst nach dem Test kamen Automatisierung, Skalierung und neue Länder dazu. Ein Fahrplan, den wir auch bei koorvi empfehlen.

🌍 Nicht alles lohnt sich – und das ist okay

Second Use muss sich rechnen. Kinderfahrräder? Super schnell drehend. Hochpreisige E-Bikes? Viel Aufwand. Deshalb steuert Decathlon gezielt über Produkt, Saison und Preis und vermeidet so unprofitable Rücknahmen.

📍 Lokale Relevanz schlägt zentrale Planung

Filialen wie Rosenheim oder Kiel entscheiden mit, was zurückgenommen und verkauft wird, je nach Saison und Region. Zentral kommen Tools und Rahmen, lokal die Expertise. Dezentralität als Erfolgsfaktor.

📈 Daten überzeugen mehr als Überzeugungsarbeit

Zahlen wie Stock-Lifetime, Emissionseinsparungen und neue Kundengruppen haben intern für Buy-in gesorgt. Das Team musste nicht überredet werden. Die Ergebnisse haben überzeugt.

🎯 25 % Umsatz aus Circular ist keine Spinnerei

Heute kommen ca. 2–3 % des Umsatzes aus zirkulären Services. Das Ziel: 25 %. Denn wer Net-Zero ernst meint, muss zirkuläre Geschäftsmodelle ernst nehmen und skalieren.

5 persönliche Fragen an Michael Kiess

Am Ende wollten wir noch wissen: Wer steckt eigentlich hinter all den Prozessen, Strategien und Circular-Zahlen? Fünf schnelle Fragen, fünf ehrliche Antworten, die auf eine persönlichere Ebene eingehen.

1. Abgesehen von Decathlon, gibt es ein Unternehmen, bei dem du denkst: Die haben’s wirklich verstanden?

ReBike.

Ein junges Unternehmen mit einem klaren Fokus: Fahrräder aufbereiten – richtig gut. Was mit einer Idee in der Garage begann, ist heute ein professionelles Refurbishment-Center. Michael schätzt ihren Drive und ihre Konsequenz, einfach zu machen.

2. Welches Nachhaltigkeits-Buzzword ist für dich komplett überbewertet?

„Klimaneutral“.

Oft genutzt, wenig hinterfragt. Für Michael klingt das eher nach Marketing als nach Verantwortung. Ihm geht’s nicht um neutrale Zahlen – sondern darum, wie Produkte länger genutzt werden können. Weniger reden, mehr machen.

3. Was wird in deiner Branche in fünf Jahren nicht mehr funktionieren?

Produkte ohne Service.

Egal ob Rückgabe, Reparatur oder Support – wer einfach nur verkauft und sich danach aus dem Staub macht, hat verloren. Michael glaubt: Die Zeit der Einwegbeziehungen ist vorbei.

4. Ohne welches Tool oder welche App kommst du im Alltag gar nicht klar?

Sein Kalender.

„Wenn’s nicht drinsteht, ist’s weg.“ Michael braucht Struktur, sonst wird’s chaotisch. Der Kalender ist sein Kompass – nicht fancy, aber effektiv.

5. Was bringt dich auf neue Ideen?

Spaziergänge. Familie. Stille.

Neue Gedanken kommen selten vor dem Bildschirm. Michael denkt gern beim Gehen – oder im Gespräch mit Menschen, die nichts mit dem Tagesgeschäft zu tun haben. Wenn man Dinge ausspricht, merkt man oft erst, was wirklich dahintersteckt.

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